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Verwaltungsrecht Ausschlussfristen für Erschließungsbeiträge in Nordrhein-Westfalen

Das Bundesverfassungsgericht hat zum Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 03.11.2021, Az. 1 BvL1/19 entschieden, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 des KAG RP mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) insoweit unvereinbar ist, als danach Erschließungsbeiträge nach dem Eintritt der Vorteilslage zeitlich unbegrenzt erhoben werden können. Die Beitragspflichten verjähren in der Regel zwar 4 Jahre nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Der Beginn der Festsetzungsverjährung knüpft allerdings nicht an den Eintritt der Vorteilslage an, weil die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängt. So bedarf es unter anderem einer öffentlichen Widmung der Erschließungsanlage, die erst nach tatsächlicher Fertigstellung der Anlage erfolgen kann, die aber für die Vorteilslage nicht relevant ist. Die tatsächliche Vorteilslage und die Beitragserhebung können somit zeitlich weit auseinanderfallen. Dies verstößt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und der Belastungsvorhersehbarkeit.

Das Kommunalabgabengesetz NRW (KG NRW) enthielt bis zum 31.05.2022 keine gesetzliche zeitliche Höchstgrenze für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Vor dem vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesverwaltungsgericht bereits die Auffassung vertreten, dass die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach Eintritt der Vorteilslage ohne gesetzliche zeitliche Höchstgrenze unzulässig ist und eine solche in Nordrhein-Westfalen nicht existiert. Dieser Auffassung folgte auch das Oberverwaltungsgericht NRW an und stellte weiter fest, dass die Frage der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Schaffung einer ausdrücklichen gesetzlichen Höchstfrist aber nur dann entscheidungserheblich ist, wenn zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung mehr als 10 Jahre vergangen sind.

Die Rechtsprechung stellt bei dem Eintritt der Vorteilslage auf die Erkennbarkeit eines objektiven Beobachters ab, dass die Erschließungsanlage sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung nicht nur provisorisch hergestellt, sondern endgültig technisch fertiggestellt ist, also auch dem gemeindlichen Bauprogramm sowie dem technischen Ausbauprogramm entspricht.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat auf die Rechtsprechung inzwischen reagiert und in dem BauGB-Ausführungsgesetz (BauGB-AG NRW) vom 03.02.2015 einen neuen § 3 „Zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich von Erschließungsbeiträgen nach BauGB“ eingefügt, der am 01.06.2022 in Kraft getreten ist. Danach ist zu prüfen, ob die gestuften Ausschlussfristen des § 3 BauGB-AG NRW einer Beitragserhebung entgegenstehen.

Grundsatz: Ausschlussfrist 10 Jahre

Gemäß § 3 Abs. 1 BauGB-AG NRW ist die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen nach § 127 BGB durch die Gemeinden unabhängig vom Entstehen der Beitragspflicht mit Ablauf des 10. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen.

Altfälle: Ausschlussfrist 20 Jahre

In § 3 Abs. 2 BauGB-AG NRW sind zwei Fallkonstellationen für sog. Altfälle vorgesehen, in denen die Ausschlussfrist auf 20 Jahre erhöht sind:

1. Altfallkonstellation:

Es wurde bereits ein Erschließungsbeitragsbescheid erlassen, der zum Stichtag 01.06.2022 noch nicht bestandskräftig war. Hier gilt die Ausschlussfrist von 20 Jahre ab Entstehung der Vorteilslage. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Erschließungsbeitragsbescheid noch innerhalb von 20 Jahre ab dem 31. 12 des Jahres der Entstehung der Vorteilslage erlassen wurde.

2. Altfallkonstellation:

Wenn die Vorteilslage zum Zeitpunkt des Stichtags 01.06.2022 bereits vorlag. Auch hier kann die Gemeinde noch einen Erschließungsbeitragsbescheid erlassen, wenn ab dem 31. 12. des Jahres der Entstehung der Vorteilslage die Ausschlussfrist von 20 Jahre noch nicht abgelaufen ist.

Absolute Ausschlussfrist von 25 Jahre

Unabhängig von dem Eintritt der Vorteilslage gilt als zeitliche Obergrenze nach dem neuen § 3 Abs. 4 S. 1 BauGB-AG NRW eine absolute Ausschlussfrist von 25 Jahre. Nach dieser Vorschrift ist unabhängig von dem Eintritt der Vorteilslage die Festsetzung der Beitragspflicht für solche Erschließungsanlagen ausgeschlossen, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung mindestens 25 Jahre vergangen sind.

Wenn Sie Fragen haben, ob ihre Gemeinde noch Erschließungsbeiträge nach dem BauGB für Ihr Anliegergrundstück erheben kann, sprechen Sie uns bitte an.

Rechtsanwalt Ulrich Kegel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist ausgewiesener Spezialist im Beitragsrecht und steht Ihnen als kompetenter Gesprächspartner gerne zur Verfügung.

Beitrag veröffentlicht am
13. März 2023

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